Der jüngste Rückgang von Bitcoin um 32 % gegenüber dem Allzeithoch könnte eher ein lokales Tief als der Beginn eines lang anhaltenden Bärenmarkts sein. Der Vermögensverwalter Grayscale argumentiert, dass sich die Marktdynamik so stark verändert hat, dass die traditionelle Vierjahres-Halving-Periode im Jahr 2026 durchbrochen wird.
Das Unternehmen veröffentlichte am Montag einen Research-Bericht, der die weit verbreitete Auffassung infrage stellt, dass der Bitcoin-Kurs im Vierjahresrhythmus seinen Höchststand erreichen und anschließend eine starke Korrektur durchlaufen müsse, die mit dem Halving-Zeitplan einhergeht. „Auch wenn der Ausblick unsicher ist, glauben wir, dass sich die Vierjahreszyklus-These als falsch erweisen wird und dass der Bitcoin-Preis im nächsten Jahr möglicherweise neue Höchststände erreicht“, erklärten die Analysten von Grayscale.
Bitcoin wurde am frühen Dienstag bei 86.909 US‑Dollar gehandelt, nachdem die Kryptowährung am Montag kurzzeitig 84.000 US‑Dollar erreicht hatte. Das entspricht einem deutlichen Rückgang gegenüber dem Oktober-Hoch von rund 126.210 US‑Dollar. Der Ausverkauf hat etwa 140 Milliarden US‑Dollar aus dem Kryptomarkt gelöscht und die Sorge genährt, ob der Vermögenswert in einen mehrjährigen Abschwung ähnlich früherer Bärenzyklen eintritt.
Grayscale identifizierte jedoch mehrere strukturelle Unterschiede im aktuellen Markt, die darauf hindeuten, dass das traditionelle zyklische Muster nicht mehr gilt. Anders als frühere Bullenmärkte, die von Privatanleger-Spekulation und parabolischen Rallys dominiert wurden, fließt institutionelles Kapital heute vor allem über börsengehandelte Produkte und Unternehmens-Treasuries statt über Spot-Börsen. Das sorgt für tiefere Liquidität und weniger starke emotionale Ausschläge.
Was passiert ist
Grayscales Analyse hob hervor, dass die Options-Skew von Bitcoin über 4 gestiegen ist – ein Hinweis darauf, dass Anleger das Abwärtsrisiko bereits „umfassend“ abgesichert haben. Diese Kennzahl wird häufig eher mit Markttiefs als mit anhaltender Kapitulation in Verbindung gebracht. Das Unternehmen merkte an, dass der aktuelle Zyklus nicht das Blow-off-Top gezeigt hat, das üblicherweise größeren Trendwenden vorausgeht; das Wachstum sei stetiger und stärker von Institutionen getrieben.
US-Spot-Bitcoin-ETFs, die einen Großteil der Marktdynamik im Jahr 2025 angetrieben hatten, verzeichneten bis November Nettoabflüsse in Höhe von $3.79 Milliarden US‑Dollar. Damit übertrafen sie den bisherigen Rekord von 3,56 Milliarden US‑Dollar aus dem Februar und machten den Monat zum zweitschlechtesten seit Auflegung. Der iShares Bitcoin Trust von BlackRock allein verzeichnete Rücknahmen in Höhe von 2,47 Milliarden US‑Dollar und stand damit für rund 63 % der gesamten monatlichen Abflüsse.
Die Stimmung scheint sich jedoch zu drehen. Bitcoin-ETFs verzeichneten bis Montag vier Tage in Folge Mittelzuflüsse, darunter moderate 8,5 Millionen US‑Dollar am jüngsten Handelstag. Das deutet darauf hin, dass die institutionelle Nachfrage nach der scharfen Korrektur allmählich zurückkehrt.
Marktpositionierungsindikatoren sprechen laut Iliya Kalchev, Dispatch-Analyst bei der Digital-Asset-Plattform Nexo, eher für einen „Leverage-Reset als für einen Stimmungsbruch“. Die zentrale technische Frage ist, ob Bitcoin den Bereich knapp über 90.000 US‑Dollar zurückerobern kann, um ein Abrutschen in die Unterstützungszone der mittleren bis unteren 80.000 US‑Dollar zu vermeiden.
BitMine-CEO Tom Lee schloss sich dem optimistischen Ausblick von Grayscale an und verwies auf eine zunehmende Entkopplung zwischen Fundamentaldaten und Kursen. „Kryptopreise sind unablässig gefallen, obwohl die Fundamentaldaten – gemessen an Wallets, Onchain-Daten, Gebühren oder Tokenisierung – sich weiterentwickelt haben“, so Lee. Er argumentiert, dass Bitcoin bereits im Januar 2026 neue Allzeithochs erreichen könnte.
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Warum das wichtig ist
Grayscale identifizierte zwei entscheidende Katalysatoren, die die Erholung von Bitcoin antreiben und die These untermauern könnten, dass traditionelle Vierjahreszyklen die Kursentwicklung nicht mehr bestimmen: die Geldpolitik der US-Notenbank Federal Reserve und regulatorische Klarheit in den USA.
Die Märkte preisen laut dem FedWatch-Tool der CME Group eine 88%ige Wahrscheinlichkeit für eine Zinssenkung um 25 Basispunkte auf der Fed-Sitzung am 10. Dezember ein – nach 63 % vor einem Monat. Die erwartete Senkung auf eine Zielspanne von 3,50 % bis 3,75 % würde die Liquiditätsbedingungen verbessern und Risikoanlagen wie Kryptowährungen unterstützen.
Grayscale betonte, dass die Fed-Entscheidung und ihre geldpolitische Kommunikation als wesentlicher Katalysator für die Entwicklung im Jahr 2026 dienen dürften. Der zunehmend akkommodierende Kurs der Zentralbank schafft ein unterstützendes makroökonomisches Umfeld, das sich deutlich von früheren Zyklen mit strafferen Finanzierungsbedingungen unterscheidet.
Gesetzgeberische Fortschritte hin zu einer umfassenden Regulierung von Kryptowerten bieten einen weiteren potenziellen Rückenwind. Der Vorsitzende des Bankenausschusses im US-Senat, Tim Scott, erklärte im November, er rechne damit, dass der Digital Asset Market Structure Bill im Dezember im Ausschuss zur Abstimmung komme, mit einer Abstimmung im Plenum des Senats Anfang 2026.
Das Gesetz, das auf dem im Repräsentantenhaus verabschiedeten CLARITY Act aufbaut, soll die Zuständigkeiten zwischen der US-Börsenaufsicht SEC und der Rohstoffaufsicht CFTC abgrenzen und gleichzeitig klare Rahmenbedingungen für digitale Assetmärkte schaffen. Scott betonte, dass der Gesetzentwurf „institutionelle Investitionen in die Branche“ anregen könnte, sobald er in Kraft ist, hob jedoch hervor, wie wichtig parteiübergreifende Unterstützung sei, um eine Politisierung des Themas im Umfeld der Zwischenwahlen zu vermeiden.
Für Bitcoin-Anleger deutet Grayscales Analyse darauf hin, dass sich die aktuelle Marktstruktur grundlegend von früheren Zyklen unterscheidet – in einer Weise, die eher nachhaltiges Wachstum als lang anhaltende Abschwünge begünstigen könnte. Die Konzentration institutionellen Kapitals in ETF-Vehikeln sorgt für stabilere Mittelströme im Vergleich zur von Privatanlegern getriebenen Spekulation, während die Aufnahme von Bitcoin in Unternehmensbilanzen – angeführt von Unternehmen wie Strategy mit Beständen von 650.000 BTC – eine beständige Nachfrage schafft, die weitgehend unabhängig von kurzfristiger Kursvolatilität ist.
Das Argument des Unternehmens beruht auf der Annahme, dass sich Bitcoin von einem rein spekulativen Retail-Asset zu einem institutionellen Anlagevehikel mit anderen Zykluseigenschaften entwickelt hat. Sollten Grayscale und Lee recht behalten, könnte der Markt die aktuelle Korrektur fälschlicherweise als Beginn eines mehrjährigen Bärenmarkts interpretieren, obwohl es sich in Wahrheit um eine Konsolidierungsphase vor der nächsten Expansionsphase handeln könnte – angetrieben von regulatorischer Klarheit und geldpolitischer Lockerung.
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